<< vorige / nächste Seite >> · Geige lernen – Kurioses
Geige spielen ist eine Kunst für sich. Wenn man da als Spätanfänger quer einsteigt, stolpert man über einige kuriose Begriffe. Und dass die Kunst sehr schwierig ist, erkennt man schon daran, dass es selbst für harmlose Handgriffe, die bei anderen Instrumenten kaum der Rede wert sind, besondere Bezeichnungen gibt.
Es fängt schon bei der Bezeichnung deiner Körperteile an: Sobald du Geige und Bogen zur Hand nimmst, hast du keine rechte und linke Hand mehr, sondern eine „Bogenhand“ und eine „Greifhand“. Und deine Finger haben keine Namen mehr, sondern Nummern: Der Zeigefinger heißt jetzt „erster Finger“, der Mittelfinger „zweiter Finger“ und so weiter. Dein Daumen spielt dabei eine völlig untergeordnete Rolle; er kriegt nicht mal eine Nummer.
Anders als man vermuten könnte, ist mit „Saitenwechsel“ meist nicht die Fummelei gemeint, die ansteht, wenn eine kaputte Saite zu ersetzen ist (siehe: Saite wechseln) „Saitenwechsel“ bedeutet vielmehr, dass man auf einer Saite anfängt zu spielen, und dann auf einer anderen Saite weiterspielt. Eigentlich kein großer Akt; extra dafür sind ja mehrere Saiten schön handlich nebeneinander angeordnet. Na ja…
Auch dieser Begriff bedeutet nicht, was man vermuten könnte, dass man den Geigenbogen wegwirft und einen anderen nimmt. Nein, es geht lediglich darum, dass der Bogen eine begrenzte Länge hat: Streicht man immer in eine Richtung, ist bald Ende der Fahnenstange. Die Lösung dafür: „Bogenwechsel“, also einfach in die andere Richtung streichen.
Das Griffbrett einer Geige ist ja, ähnlich wie eine Klaviertastatur, ziemlich länglich, so dass man durch Fingerbewegungen allein nicht überall rankommt: Man muss auch mal die Hand weiterrücken. Bei der Geige nennt man das Weiterrücken dann „Lagewechsel“. Beim Klavier gibt es kein besonderes Wort dafür, weil jeder, der schon mal „Alle meine Entchen“ mit fünf Fingern geklimpert hat, spätestens dann seinen ersten „Lagewechsel“ gemacht hat, als er bei „…schwimmen auf dem See“ ankam, und dafür kein sechster Finger mehr vorhanden war.
Der Begriff „Wirbel“ klingt sehr dynamisch. Es handelt sich dabei aber, anders als man vermuten könnte, nur um ein schwergängiges, altmodisches Gebilde, das bestimmt keinen Wirbel macht. Sein Konstruktionsprinzip hat sich schon bei prähistorischen Pfahlbauten bewährt. Die englische Bezeichnung „peg“ drückt weitaus treffender und weniger hoch trabend aus, worum es sich wirklich handelt, nämlich um einen „Pflock“, „Stift“ oder „Stöpsel“.
Also, wenn die Stradivari der Rolls Royce unter den Geigen ist, dann ist ein „Schülerinstrument“ so etwas wie ein Dacia: ein beinahe erschwingliches Modell für Anfänger, wo alles Nötige funktioniert, aber große Sprünge kann man damit nicht machen.
Schülerinstrumente fristen ein erbärmliches Dasein: Sie erfahren keine Wertschätzung und keine Pflege, werden oft von entnervten Schülern in die Ecke gepfeffert und ziehen sich dabei furchtbare Schäden zu. Und falls ein Schüler es tatsächlich zu etwas bringt, tauscht er sein ungeliebtes Schülerinstrument, sobald er kann, gegen eine „richtige“, „gute“ Geige ein. Dabei hat schon das Schülerinstrument einen dreistelligen Eurobetrag gekostet. Geigen, die weniger kosten, zählen nicht als „Schülerinstrument“, sondern als „Feuerholz“, bzw. als:
Geigenförmiger Gegenstand, wird in China massenhaft hergestellt und für zirka 49 € im Komplettset samt Bogen und Koffer angeboten. Klingt wie eine Blechdose, ist aus minderwertigen Hölzern mangelhaft zusammengebaut, taugt als Spielzeug oder Dekoration, aber kaum zum Musizieren. Für ein- bis zweihundert Euro kann ein Geigenbauer so ein Objekt zu einem halbwegs brauchbaren Schülerinstrument umbauen.
Das Gear Acquisition Syndrome (Ausrüstungserwerbssyndrom) ist der verhängnisvolle Drang angehender Musiker, sich massenweise Instrumente und Zubehör anzuschaffen. Sie hoffen, sich zu verbessern und Ansehen zu gewinnen, indem sie teuren Kram kaufen. Nützt natürlich nichts, weil echte Verbesserung nur durch Üben erreichbar wäre. Und so kann das Syndrom in eine Sucht ausarten. Dasselbe kommt auch bei Fotografen, Sportlern und Heimwerkern vor.
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