Mehrsprachigkeit im Dreiländereck · Sprachkurse · Material zum selber lernen · Sprachkunde
„Wenn ich hier wohnen würde“, sagte vor einigen Jahren ein amerikanischer Geistlicher, der in Zittau zu Besuch war, „dann würde ich zwei Sprachen lernen: Polnisch und Tschechisch.“
Gäste, die unser Dreiländereck besuchen, äußern manchmal solche Gedanken, und die Einheimischen reagieren dann meist geknickt, weil es mit ihren Polnisch- und Tschechischkenntnissen nicht weit her ist. Aber das hat natürlich Gründe, die man fairerweise berücksichtigen muss:
Die drei Staatsgrenzen bilden hier scharfe Trennlinien zwischen den Sprachen: Auf deutscher Seite wird deutsch gesprochen, auf polnischer Seite polnisch, auf tschechischer Seite tschechisch. Anders als an den meisten Grenzen Europas gibt es hier keine Exklaven oder mehrsprachige Gebiete (abgesehen von den Sorben).
Das war zwischen Deutschland, Polen und Tschechien nicht immer so: In Oberschlesien und im Sudentenland gab es einst Gegenden, wo der deutsche Sprachraum allmählich in den polnischen oder tschechischen überging, wo Menschen mehrsprachig aufwuchsen und viele die Sprache der Nachbarn verstanden. Unser heutiges Dreiländereck, mit scharfer Trennung der Sprachräume, ist erst in Folge des zweiten Weltkriegs entstanden – durch die Westverschiebung Polens und die Vertreibung der Deutschen. Während der DDR-Zeit änderte sich daran nicht viel: Die DDR pflegte meist gut nachbarschaftliche Beziehungen zur Volksrepublik Polen und zur Tschechoslowakei, bot aber nicht so viel Gelegenheit für grenzüberschreitende Kontakte wie wir sie heute kennen. Es gab nur wenige Grenzübergänge für den Reiseverkehr.
Heute sind die Beziehungen Deutschlands zu Polen und Tschechien trotz mancher Reibereien besser als je zuvor. Die Zollgrenzen sind entfallen, allerdings ist die Sprachbarriere noch da. Kaum ein Deutscher versteht Polnisch oder Tschechisch. Man behilft sich lieber mit Deutsch oder Englisch und kommt damit ziemlich gut durch. Die ältere Generation greift zur Not noch auf ein paar Brocken Russisch zurück.
Guter Wille ist durchaus vorhanden; es werden auf vielen Ebenen, vom Kindergarten bis zur Erwachsenenbildung, Sprachkurse angeboten. Nur da diese Angebote kaum aufeinander aufbauen, bleiben solche Ansätze zur Entwicklung der Mehrsprachigkeit meist auf bescheidenem Niveau stecken.
Eine große Hürde ist natürlich, dass das Lernen von Fremdsprachen stets mühsam ist. Polnisch und Tschechisch sind schwere Sprachen; die lernt man nicht mal schnell nebenbei. Man müsste sich schon einige Jahre lang regelmäßig damit beschäftigen, um ein nennenswertes Niveau zu erreichen. Solche Mühe macht man sich in aller Regel nur, wenn man wichtige Gründe hat. Die hat man aber meistens nicht:
Durch den Erwerb von Polnisch- oder Tschechischkenntnissen ergeben sich für Deutsche in aller Regel keine besonders verlockenden beruflichen oder geschäftlichen Perspektiven. Als Tourist kommt man mit Deutsch oder Englisch meist ziemlich gut durch. Zwar schätzen es die Einheimischen, wenn man sich bemüht, ihre Sprache zu sprechen, aber sie wechseln im Gespräch mit Ausländern doch oft zu Deutsch oder Englisch, um besser verstanden zu werden.
Für Polen und Tschechen ist Deutsch auch schwer zu lernen. Sie haben wohl etwas öfter gute Gründe, die Mühe auf sich zu nehmen – etwa um einen Job im Tourismus zu bekommen, oder im Handel, oder im Ausland. Trotzdem wird auch in Tschechien beklagt, dass die Bereitschaft, Fremdsprachen zu lernen, dort noch zu gering sei. Allen moralischen Appellen zum Trotz lernen die Leute hüben wie drüben Fremdsprachen eben in aller Regel nicht aus Idealismus, sondern nur wenn es sich auszahlt.
Siehe auch: Dialekte im Dreiländereck | Schlesier in Deutschland und Polen
GFPS e.V. –
Gemeinschaft für studentischen Austausch in Mittel- und Osteuropa
Überregionale Tandem-Sprachkurse, trinationale Sprachkurse, Seminare und Projekte
Schkola – Freier Schulträgerverein e.V.
Tschechischkurse für Erwachsene in Ebersbach und Hartau
Bei Linguaporta.de können Sie gezielt nach Sprachkursen in Ihrer Region (v. a. in Sachsen) suchen.
Wenn Sie erstmal ein bisschen in Polnisch oder Tschechisch hineinschnuppern wollen, lohnt es sich vielleicht nicht, gleich einen Kurs zu besuchen oder ein Lehrbuch zu kaufen. Lehrbücher erweisen sich ohnehin oft als Fehlinvestition, denn sie sind dick und teuer, entmutigen durch die Fülle des Stoffs und vermitteln am Anfang meistens nicht das, was man am nötigsten braucht.
Wenn Sie also überhaupt ein Buch kaufen wollen, nehmen Sie lieber einen Sprachführer, z. B. vom Reise-Know-How-Verlag. Ich habe damit sehr gute Erfahrungen gemacht und ziehe solche kleinen, kompakten Sprachführer grundsätzlich jedem schulmäßigen Lehrbuch vor.
Sie können aber auch darauf verzichten und allein kostenlose Quellen im Internet nutzen: Fangen Sie z. B. mit meiner kleinen Wörterliste an. Danach arbeiten Sie den Mini-Sprachführer bei linguaporta.de durch, der ein paar Wörter mehr bietet und sogar sprechen kann. Damit haben Sie für die ersten Wochen schon genug zu tun.
Auch Nachschlagewerke finden Sie im Internet:
http://iate.europa.eu – vielsprachiges europäisches Wörterbuch für Fachausdrücke
Das kostenlose polnisch-deutsche und deutsch-polnische Online-Wörterbuch www.dep.pl ist sehr einfach zu bedienen und arbeitet schnell. Man findet darin praktisch alle gängigen Wörter und auch viele Redewendungen. Auf der Website des PONS-Verlags ist auch ein halbwegs brauchbares Online-Wörterbuch; Es ist aber etwas umständlicher und enthält weniger Wörter.
Lehrbücher: Polnisch
Das tschechische Online-Wörterbuch Slovnik.cz besitzt ca. 420 000 Einträge für Tschechisch-Deutsch / Deutsch-Tschechisch. Außerdem kann es auch Tschechisch-Englisch, Tschechisch-Französisch u. v. m. Man findet dort fast jedes Wort, auch viele Fachausdrücke aus Wirtschaft und Wissenschaft. Besonders hilfreich ist, dass häufig gebrauchte Wörter nicht nur in ihrer Grundform, sondern auch in verschiedenen Fällen, Personen und Zeitformen aufgeführt sind. An Umfang und Benutzerfreundlichkeit reicht dieses Wörterbuch fast an das hervorragende Deutsch-Englisch-Wörterbuch dict.leo.org heran.
http://www.czechprimer.org ist eine lustige, nett gemachte tschechische Fibel mit vielen Bildern, allerdings auf Englisch.
Als wertvolle Ergänzungen für Fortgeschrittene eignen sich das Abkürzungslexikon www.zkratky.cz und das Fremdwörterbuch slovnik-cizich-slov.abz.cz. Diese Werke sind einsprachig tschechisch, setzen also schon Sprachkenntnisse voraus.
Lehrbücher: Tschechisch
Polnisch und Tschechisch sind slawische Sprachen, das heißt, sie sind ein wenig mit Russisch verwandt. Sie werden aber (ebenso wie ihre näheren Verwandten Slowakisch, Slowenisch, Sorbisch und Kroatisch) mit lateinischen Buchstaben geschrieben. Die Rechtschreibung ist sehr einfach, weil fast jedem Laut genau ein Buchstabe zugeordnet ist. Zur Darstellung besonderer Laute werden Buchstaben oft mit Strichen, Punkten, Haken und Ösen verziert. Wie man diese speziellen Zeichen auf einem deutschen Computer produziert, können Sie hier in einem anderen Kapitel nachlesen.
Polnisch und Tschechisch sind einander recht ähnlich (etwa wie Deutsch und Niederländisch), so dass Polen und Tschechen einander auch ohne Übersetzer leidlich verstehen können. Wir Deutschen stehen da als „Dritte im Bunde“ leider etwas abseits, denn unsere Sprache ist ganz anders, darum tun wir uns oft schwer mit der Aussprache und der Grammatik. Glücklicherweise kommen uns unsere Nachbarn einen großen Schritt entgegen – sehr viele von ihnen sprechen (zumindest ein wenig) Deutsch.
Dennoch lohnt es sich, wenn man öfter mit ihnen zu tun hat, ein paar Brocken ihrer Sprachen zu lernen. Selbst wenn es nur für „Guten Tag“ und „Danke“ reicht, zeigt man damit immerhin Entgegenkommen, und das wirkt sympathisch.
Zum Schluss wäre noch zu empfehlen, wenn Sie mit Polnisch oder Tschechisch anfangen, dass Sie sich nicht zu sehr mit der Grammatik befassen. Slawische Sprachen haben eine sehr komplizierte Grammatik. Es besteht die Gefahr, dass man sich darin verzettelt und darüber wichtigere Lerninhalte versäumt. Wenn Sie nicht viel Zeit haben und nur ein bisschen für den Hausgebrauch lernen möchten, ignorieren Sie am besten die Grammatik und lernen Sie nur Redewendungen und Vokabeln. Die nützen Ihnen im Ernstfall mehr. Es wird Ihnen niemand verübeln, wenn Sie grammatisch falsch sprechen. Die Leute wissen ja, dass ihre Sprachen sehr schwierig sind und schätzen es, wenn sich ein Ausländer überhaupt darum bemüht. Und schließlich hat ja auch die deutsche Sprache ihre Tücken, wie man auf den folgenden Schildern sieht:
Warum ich mir keinen Škoda kaufe ;-)
Neben der schwierigen Aussprache und der umfangreichen Grammatik gibt es noch eine dritte Hürde, die erst dem Fortgeschrittenen offenbar wird: Die tschechische Sprache besitzt – ähnlich wie die deutsche – einen sehr großen Wortschatz. Oft gibt es mehrere verschiedene Ausdrücke für ein und dieselbe Sache, und die werden beim Sprechen und Schreiben gern abwechselnd benutzt, um unschöne Wiederholungen zu vermeiden.
Internationale Fremdwörter gibt es in der tschechischen Sprache durchaus, jedoch bevorzugt man im Allgemeinen eher „echt tschechische“ Begriffe, die für unkundige Ausländer leider völlig nichtssagend sind.
Eine Erleichterung ist jedoch, dass deutsche und tschechische Redewendungen einander oft exakt entsprechen, so dass man sie wörtlich übersetzen kann und den Sinn unmittelbar versteht. Und ab und zu begegnet man sogar ein paar alten Bekannten, wie z. B. hamr, šiml, kšeftsman, kumšt, farář, pekář...
© Penzeng.de