<< vorige / nächste Seite >> · Geige lernen – Greifen
Falls du schon Gitarre spielen kannst, dürften dir die Gegebenheiten bei der Geige einigermaßen vertraut vorkommen. Das Prinzip ist ähnlich: Du hast eine Reihe von Saiten, die auf bestimmte Grundtöne gestimmt sind (bei der Gitarre: E, A, d, g, h, e’; bei der Violine g, d’, a’, e’’, bei der Bratsche c, g, d’, a’). Diese Töne kannst du also spielen, ohne zu greifen. Andere Töne erreichst du, indem du eine Saite auf dem Griffbrett an der richtigen Stelle greifst. Im Gegensatz zur Gitarre hat die Geige am Griffbrett keine Bünde. So hast du also keinen sichtbaren Anhaltspunkt, wo die richtigen Stellen sind. Dennoch musst du sie immer sehr genau treffen, denn sonst klingen deine Töne schrecklich schief:
G-Saite: | D-Saite: | A-Saite: | E-Saite: |
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Positionen der Töne auf dem Griffbrett einer Violine – Diese Bilder für Bratsche (Viola) anzeigen
Wie schafft man es nun, Töne auf dem Griffbrett exakt zu greifen, ohne sichtbaren Anhaltspunkt? – Das ist schwierig; man muss lange und sorgfältig üben, bis man das hinkriegt. Es ist aber äußerst wichtig, dass du dies lernst, weil dies den entscheidenden Unterschied macht zwischen schöner Musik und „Katzenmusik“.
Die richtigen Töne trifft man also nach Gefühl und Gehör. Wenn man dies sorgsam trainiert, gewöhnen die Finger sich allmählich daran und „wissen“ irgendwann automatisch, wo sie hin müssen.
Wem dies aber übermäßig schwer fällt, der wünscht sich vielleicht auf dem Griffbrett sichtbare Marken, um die Stellen zu finden. Tatsächlich macht man es manchmal so, dass man Anfängern ein paar Punkte oder Streifen aufs Griffbrett klebt, damit sie sehen, wo die Finger hin müssen. Ob das Sinn hat, ist umstritten. Als grobe Anhaltspunkte sind solche Marken wohl nützlich, aber die Feinabstimmung geht nur nach Gehör. Falls du dir solche Marken auf dem Griffbrett machen möchtest, findest du hier eine Anleitung dazu.
Wenn du auf der D-Saite den Ton g’ spielst, oder auf der A-Saite den Ton d’’, oder auf der E-Saite den Ton a’’, gerät die Saite links daneben automatisch mit in Schwingung, sofern du sie nicht berührst.
Ebenso, wenn du auf der G-Saite den Ton d’ spielst, oder auf der D-Saite den Ton a’, oder auf der A-Saite den Ton e’’, gerät die Saite rechts daneben automatisch mit in Schwingung, sofern du sie nicht berührst.
Anhand dieser Resonanzen kannst du erkennen, ob du den Ton genau getroffen hast: Klingt die Resonanz laut und harmonisch, dann hast du sehr gut getroffen. Klingt sie aber dumpf, vibrierend und heulend, dann hast du ein bisschen daneben gegriffen. Überhaupt keine Resonanz gibt es, wenn du weit daneben greifst, oder wenn du die Resonanzsaite berührst, so dass sie nicht frei mitschwingen kann.
Auch bei anderen Tönen erkennen manche Geiger anhand der Klangqualität, ob sie richtig getroffen haben. Viele gegriffene Töne erzeugen mehr oder weniger deutliche Resonanzen auf anderen Saiten, die den Ton schöner erklingen lassen. Somit ist ein schöner Klang ein Anzeichen dafür, dass du den gewünschten Ton sehr gut getroffen hast.
Welche Finger du für welche Töne zum Greifen benutzt, kannst du im Prinzip selbst entscheiden, je nachdem, wie es praktisch und bequem ist. Es gibt aber auch Faustregeln, die dir die Entscheidung erleichtern können:
Am praktischsten ist es meist, wenn man sich die Finger genau nach der Tonleiter einteilt: Der tiefste Ton ist auf der Geige das g; das braucht man nicht greifen, das spielt man auf der leeren G-Saite. Der nächste Ton wäre in der C-Dur-Tonleiter das a; das greift man auf der G-Saite mit dem Zeigefinger. Danach das h mit dem Mittelfinger und das c’ mit dem Ringfinger. Danach kommt das d’; das kann man auf der G-Saite mit dem kleinen Finger greifen, aber man kann sich’s auch leichter machen und einfach die leere D-Saite benutzen.
Auf der D-Saite greift man mit dem Zeigefinger das e’, mit dem Mittelfinger das f’, mit dem Ringfinger das g’ und eventuell mit dem kleinen Finger das a’, aber stattdessen kann man auch die leere A-Saite benutzen.
Und so weiter:
Wie du hier siehst, liegen in einer Tonleiter manche Töne näher beieinander und manche weiter auseinander. Du darfst also die Finger nicht alle im selben Abstand platzieren, sondern musst sie an bestimmten Stellen nah zusammenrücken. So ergeben sich für die vier Finger auf jeder Saite typische Fingerstellungen; die werden im Geigenunterricht „Griffarten“ genannt.
Andere Tonarten (alle außer C-Dur und A-Moll) zeichnen sich dadurch aus, dass bestimmte Stammtöne um einen Halbton erhöht (#) oder erniedrigt (b) werden. Für solche erhöhten oder erniedrigten Töne benutzt man grundsätzlich denselben Finger wie für den entsprechenden Stammton; man greift mit diesem Finger nur einen Halbtonschritt höher oder tiefer, um den Ton zu erhöhen oder zu erniedrigen. Dadurch ergeben sich andere Griffarten. Mit Halbtönen sieht die Grifftabelle also folgendermaßen aus:
Dass man hier zwischen cis und des, dis und es usw. unterscheidet und dafür unterschiedliche Finger benutzt, hat den Vorteil, dass man damit in jeder Tonart seine Finger entsprechend einer kompletten Tonleiter platziert. Auf diese Weise kann man in aller Regel schneller, flüssiger und sauberer spielen als mit jedem anderen denkbaren Fingersatz.
Noch höhere Töne sind erreichbar, wenn man in andere
Lagen wechselt, aber das kommt später.
Fingersätze für verschiedene Tonarten kannst du im
Griffbrettsimulator anschauen.
Wenn du eine Melodie in normalem Tempo spielst, hast du kaum Zeit zu überlegen. Die Töne folgen oft schnell aufeinander, also musst du sehr schnell umgreifen können. Darum lass die übrigen Finger, mit denen du gerade nicht greifst, nicht irgendwie hoch in die Luft stehen, knicke sie auch nicht völlig ein und presse sie nicht aneinander, sondern halte sie möglichst in Position: Lass sie in geringem Abstand über den Stellen „schweben“, wo sie dann greifen müssen, wenn sie dran sind.
Wenn in einer Melodie zwei Töne aufeinander folgen, die auf benachbarten Saiten an derselben Stelle mit demselben Finger zu greifen sind (z. B. c’’ auf der A-Saite und g’’ auf der E-Saite), dann kannst du es dir ganz einfach machen: Du greifst mit dem Finger genau in die Lücke zwischen den beiden Saiten. Auf diese Art greifst du beide Saiten auf einmal und kannst, ohne umzugreifen, beide Töne nacheinander spielen, oder sogar beide gleichzeitig.
Als Anfänger ist man natürlich froh, wenn in einer Melodie möglichst oft die Töne g, d’, a’ oder e’’ vorkommen, weil man die nicht greifen muss, sondern auf leeren Saiten spielen kann. Da braucht man auch den kleinen Finger kaum. Fortgeschrittene vermeiden es jedoch oft, die leeren Saiten zu benutzen, weil sie lauter und schärfer klingen als gegriffene Saiten. Sie greifen lieber eine Saite weiter links mit dem kleinen Finger; das ergibt denselben Ton. Über kurz oder lang sollte man sich daran gewöhnen, den kleinen Finger mit zu benutzen, denn später, wenn man in höheren Lagen spielt, braucht man ihn sowieso.
Wenn du Stücke nach Noten spielst, die speziell für Violine geschrieben wurden, findest du dort meist schon Fingersätze eingezeichnet: Eine Ziffer 1 über einer Note bedeutet, dass du mit dem Zeigefinger greifen sollst. 2 bedeutet Mittelfinger, 3 Ringfinger und 4 kleiner Finger. Eine Null bedeutet, dass du ohne zu greifen die leere Saite spielen sollst. Dort wo keine Zahl steht sollst du einfach den nächstliegenden Finger benutzen – nach den oben beschriebenen Grundregeln.
Siehe auch: Fingersätze in Notenschrift
Wie lese ich Fingersätze? · Finger placement · Wie übe ich schnelle Passagen?
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